Re: Was spricht gegen solide Analogelektronik?


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Geschrieben von Tiemo am 25. August 2019 14:13:30:

Als Antwort auf: Was spricht gegen solide Analogelektronik? geschrieben von Chris am 25. August 2019 10:38:26:

Hallo Chris!

jein, das widerspricht sich ja selber. Gerade bei Fahrtenschreibern muss die Umsetzund des Signals anzupassen sein, da diese geeicht sein müssen, wenn man im Rahmen des gewerblichen Güterverkehrs damit fährt, und zum Eichen braucht man eine Anpassungsmöglichkeit der Übersetzung. Wir machen das bei den Lkw tagtäglich für den digitalen Tachographen - der muss bei jedem Fahrzeug individuell "abgerollt" und justiert werden.
Und ja, mit Werkstatthilfe ist das möglich, schreibst du ja selbst. Und was mit Werkstatthilfe möglich ist, bekommt man zumindest bei den alten Systemen auch selber hin. Die Frage ist, wie beim LT mit elektronischem Fahrtenscheiber das Signal übertragen und angepasst wird. Evtl. erfolgt die Anpassung dennoch über ein Getriebe vor dem Impulsgeber. Wenn Anpassung elektronisch, könnte man das Signal mal auf einem guten Oszi auswerten. An komplexe Verschlüsselung glaube ich erst mal nicht bei diesen Baujahren.

Ja, mit Werkstatthilfe ist das natürlich möglich. Jedenfalls, solange das entsprechende Gerät noch unterstützt werden soll. Und man soll ja möglichst auch nichts selbst verstellen können, weil es ja immer böse Buben gibt, die damit dann Schindluder treiben, und das darf ja nur die Industrie (zB. voreilende Messinstrumente, um geringeren Verbrauch vorzugaukeln).
Bei gewerblichen Anlagen ist ja klar, dass da nicht jeder Fahrer dran rumspielen soll, man kennt ja die Tricks mit durch Zigarettenkippen blockierten analogen Fahrtenschreibern usw., da muss eigentlich überall eine Plombe dran nach der Justage.

Mir schwebt da eher vor, die Controller-Einheit mit einem Interface für ein Laptop auszustatten, sodass man die Parameter ohne ungebräuchliche Werkzeuge mit Hilfe eines Terminal-Programms anpassen kann, ...
Ja, wird funktionieren. Aber warum so komplex? Ein elektronischer Tachometer ist nichts anderes als ein Drehzahlmesser.

Im LT ist aber meist kein elektronischer Tacho. Daher so komplex, denn ich möchte den Original-Tacho erhalten. Über Einzelheiten kann man ja auch noch reden, man könnte auch alles über 2, 3 Taster konfigurierbar machen.

Er zählt Impulse über die Zeit und wandelt diese in eine Spannung um, die auf das Zeigermesswerkt übertragen wird. Dazu gibt es Analog-ICs, die genau dafür gedacht sind und mithilfe der umgebenden Beschaltung an die Randbedingungen angepasst werden (also Drehzahlübersetzung, höhe der Ausgabespannung ans Zeigerinstrument).

Diese ICs (SAK215, LM2907 etc.) kenne ich und habe früher auch einige davon benutzt. Inzwischen ist die Digitaltechnik aber so preiswert und die erhältlichen Controller so vielseitig geworden, dass von der Komplexität der äußeren Beschaltung her kaum noch ein Unterschied besteht. Nur hat die Digitaltechnik da noch so viele Resourcen über, dass sich damit häufig sogar noch eine Mehrfunktion ohne weiteren Aufwand mit implementieren lässt.

Bleibt dann nur das Problem mit dem Kilometerzähler. Was sich ebenfalls lösen lässt, indem man sich z.B. einen passenden Satz Ritzel für das Zählwerk selber ausrechnet und im 3D-Druck anfertigen lässt. So lange man nicht ständig an der Gesamtübersetzung ändert, sollte das ebenfalls eine Lösung mit überschaubaren Kosten sein.

Naja, da frage ich wiederum nach der Komplexität... ;-)

Für mich ist der Vorteil einer Analoglösung, die man natürlich auch für den mechanischen LT-Tacho machen kann, dass man nur einen Schraubendreher und eine Messfahrt zur Justage bzw. Eichung benötigt. Ersatzteile funktionieren so, wie man sie aus dem Laden bekommt und benötigen nicht erst noch eine Firmware, die draufprogrammiert werden muss (was nach Jahren oft ein Problem darstellt, da der alte Programmierer nicht mehr mit neuen Computern funktioniert, Firmware nicht mehr verfügbar ist etc.).

Bei einer digitalen bzw. programmgesteuerten Lösung habe ich andere Vorteile, zB. kann ich für Leute, die mehrere Reifengrößen je nach Anwendung fahren, leicht mehrere Datensätze speichern, oder kann einfach zusätzliche Informationen rausrechnen lassen. Außerdem kann man damit noch leichter als mit dem Schraubendreher, mit einem Druck auf einen Taster die gerade gefahrene Geschwindigkeit als Referenz angeben.
Unter Verwendung eines Quarzes zur Zeiterfassung und eines Schrittmotors kann man mit dem digitalen System dabei leicht Genauigkeiten im ppm-Bereich erzielen.

Wenn ich für den LT, mit mechanischem Tacho, mal beide Systeme nebeneinander stelle, bekomme ich:

Analogtechnik:
Geber -> Impulsformer -> Frequenz / Spannungswandler -> Justagemöglichkeit / Spannungsteiler (Poti) -> Spannungsgesteuerter Motortreiber -> Motor -> LT-Tacho mit Wegstreckenzähler

Digitaltechnik:
Geber -> Impulsformer -> Mikrocontroller mit Programmiermöglichkeit -> Motortreiber -> Motor -> LT-Tacho mit Wegstreckenzähler

Nimmt sich nicht viel...

Ich glaube, der schlechte Ruf der Digitaltechnik basiert vor allem darauf, dass dem Benutzer immer die Vorteile (Zuverlässigkeit, Präzision, Langlebigkeit) genannt werden, sie dann aber vor allem dazu genutzt wird, dem Benutzer selbstbestimmte Möglichkeiten der Nutzung zu nehmen, natürlich nur zu seinem Schutz und Sicherheit. ZB., indem man sie irreparabel gestaltet, die Funktionen von Firmwares nicht offengelegt werden (keine programmierten Bausteine oder Firmwares erhältlich), sie dem Nutzer bewusst Informationen vorenthält (zB. Plateau-Funktion bei der Temperaturanzeige in VAG-Fahrzeugen).
Da man hier immer auf den Hersteller angewiesen ist, kann dieser dann auch ganz leicht den lifetime cycle beenden, indem er die Unterstützung beendet und die Geräte sich einfach abschalten lässt. Kann niemand nachweisen, man kann ja (dank einstelbarer Leseperre) nicht in den Chip reingucken, Firmwares sind closed source und Quelltexte gibt es schon gleich garnicht.
Wenn ich sowas aber in meiner Freizeit entwickle, dann wird es natürlich dokumentiert und Firmware und Quelltext offengelegt, sodass auch jeder daraus machen kann, was er möchte. Das entspricht eher meiner Vorstellung einer aufgeklärten Gesellschaft.

Gruß,
Tiemo



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