Re: die "Diskussion" aus dem Bundestag


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Geschrieben von Klaus am 27. Juli 2004 19:53:54:

Als Antwort auf: FOCUS online: Steuerprivileg für Geländewagen fällt geschrieben von Reinhard (HD) am 27. Juli 2004 18:07:46:

Protokoll der 118. Sitzung des deutschen Bundestages vom 01.07.2004 in Auszügen

"Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Ungerechtfertigtes Steuerprivileg für schwere Geländewagen abschaffen

- Drucksache 15/3468 -

Die Kollegin Wright, die Kollegen Seiffert, Hermann und Solms sowie die Staatssekretärin Gleicke bitten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.10

Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen "Ungerechtfertigtes Steuerprivileg für schwere Geländewagen abschaffen". Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -
Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.

Anlage 26
Zu Protokoll gegebene Reden

zur Beratung des Antrags: Ungerechtfertigtes Steuerprivileg für schwere Geländewagen abschaffen (Zusatztagesordnungspunkt 7)

Heidi Wright (SPD):
Schwere Geländewagen und Sport Utility Vehicles - SUV - sind tolle Autos und eignen sich für Wald und Wiese, also fürs Gelände, wie der Name schon sagt. Sie sind jedoch auch populär fernab jeden Geländes, auf Deutschlands Straßen in Stadt und Land. Die Neuzulassungszahlen für Geländewagen in Deutschland sind traumhaft und steigen überproportional an. Sie verzeichneten im Jahr 2003 einen Zuwachs von 22,8 Prozent.
Irgendwann kam jemand auf die clevere Idee, die Tarifgrenze von 2,8 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht im Kfz-Steuerrecht zu nutzen und schwere Geländewagen in diese Gewichtsklasse zu bringen. So gibt es regelrechte Auflastungsaktionen, um diese Gewichtsgrenze, die Einstufung als Nutzfahrzeug und somit einen günstigen Steuertarif zu erreichen. Die äußerst schweren und intensiv kraftstoffverbrauchenden Fahrzeuge werden jedoch meist als PKW und nicht als Nutzfahrzeuge eingesetzt und dienen als zeitgeistorientiertes Prestigesymbol.
Dieser Tatsache wird bisher steuerlich nicht ausreichend Rechnung getragen, da schwere Geländewagen von über 2,8 Tonnen nicht emissionsbezogen und nach Hubraum versteuert, sondern nach zulässigem Gesamtgewicht als "leichte" Nutzfahrzeuge klassifiziert und besteuert werden können, wodurch die Steuerlast auf weniger als 25 Prozent gesenkt werden kann.
Um nicht einen Generalverdacht über alle Geländewagen zu verhängen, will ich festhalten, dass die Steuerbegünstigung längst nicht alle Geländewagen betrifft, ja sogar die Mehrzahl der Geländewagen unprivilegiert ist und richtig besteuert wird. Rund ein Viertel der schweren Geländewagen genießt jedoch ein ungerechtfertigtes Steuerprivileg, das es abzuschaffen gilt.
Doch, wie bereits ausgeführt, ist der Einsatz meist nicht im Nutzbereich, sondern vorwiegend völlig zweckentfremdet in den Städten. Schauen Sie sich einmal in Berlin um, wie viele dieser schweren Fahrzeuge hier auf asphaltierten und ausgebauten Straßen in der Innenstadt herumfahren! Auf Geländetauglichkeit kommt es hierbei wirklich nicht an.
Lassen Sie mich zu Ihrer Information dabei festhalten, welche Auswirkungen das freizeitmotivierte Fahren dieser kleinen "Geländepanzer" in unseren Städten hat.
Über 20 Liter verbrauchen einige der Geländewagen im Stadtverkehr. Das ist nicht vereinbar mit unseren klimapolitischen Grundsätzen. Dieses teure Tankvergnügen müssen wir nicht unbedingt durch günstige Steuerprivilegien kompensieren.
Mit ihrem als Kuhfänger bekannten absolut überflüssigen Rammschutz stellten sie in der Vergangenheit selbst bei Unfällen mit niedrigster Geschwindigkeit eine Gefahr für Fußgänger und insbesondere Kinder dar. Dies konnten wir inzwischen abschaffen.
"On top of the list": Darüber hinaus konnten, wie ausgeführt, durch geschickte Anmeldeverfahren und durch so genannte Auflastung günstige Einstufungen des Kfz-Steuertarifs erreicht werden.
Es ist somit aus Gründen der Steuergerechtigkeit, nicht zuletzt aber auch unter ökologischen Aspekten und aus Gründen der Verkehrssicherheit mehr als geboten, unberechtigte Steuervorteile für diese Prestigesymbole abzuschaffen.
Um eines klarzustellen: Wer ein solches Auto, das gut und teuer ist, fahren will, soll das tun. Er soll und muss es jedoch dann als PKW anmelden und als solches emissionsbezogen nach Hubraum versteuern. Es geht uns nicht um die höhere Besteuerung von Nutzfahrzeugen, die klar definiert und nachweisbar als Nutzfahrzeuge eingesetzt werden. Unser Ziel ist es, die Spreu vom Weizen zu trennen. Es geht uns darum, ungerechtfertigte Steuerschlupflöcher zu schließen.
Dies erreichen wir mit dem vorliegenden Antrag. Gerade im Hinblick auf die Verringerung der Emissionen im Verkehrsbereich sowie die Schonung unserer Ressourcen ist eine Berücksichtigung der ökologischen Kosten der schweren Geländewagen und SUV auch im Bereich der Kfz-Steuer sicherzustellen.
Auch unsere europäischen Nachbarn haben das Problem erkannt und sind dabei, Maßnahmen zu ergreifen: Frankreich plant, ab 2005 den Kauf der SUV mit einer Sonderabgabe zu verteuern. Denn "den Parisern stinkt's", wie ein Pressebericht - "Spiegel online" - titelt. Auch in London formiert sich der Widerstand gegen die tonnenschweren Geländewagen.
Unser Antrag passt. Er kommt dem Klimaschutz, den schwächeren Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern und Kindern sowie schlicht und ergreifend der Steuergerechtigkeit in unserem Lande zugute. Wir wissen uns hier auch einig mit den Finanzministern und Umweltministern der Länder. Somit dürfte einer raschen Lösung nichts im Wege stehen. Deshalb wollen wir über den Antrag hier und heute direkt - ohne Überweisung und Behandlung im Fachausschuss - abstimmen.
Ich bitte Sie alle um Ihre Zustimmung.

Heinz Seiffert (CDU/CSU):
Das Verfahren um den heutigen Antrag zur Abschaffung des Steuerprivilegs für schwere Geländewagen ist wieder einmal ein Paradebeispiel rot-grüner Regierungspolitik. Am Dienstagnachmittag dieser Woche lag Ihr Antrag auf dem Tisch des Hauses. Heute soll er - wenn es nach Ihrem Willen geht - ohne Debatte und ohne Überweisung an die zuständigen Ausschüsse verabschiedet werden. Dieses Hauruckverfahren ist der Sache nicht angemessen und vollkommen inakzeptabel. So lassen wir als Parlamentarier nicht mit uns umspringen!
Über den Inhalt Ihres Antrags kann man sicher reden. Für die Abschaffung einer ungerechtfertigten Steuersubvention finden Sie bei uns grundsätzlich offene Ohren, auch wenn es im Detail noch erheblichen Klärungsbedarf gibt. Die von Ihnen geplante Vorgehensweise ist jedoch unmöglich. Man hat den Eindruck, hier soll klammheimlich etwas beschlossen werden - ohne Aufsehen und ohne großen Wirbel. Die betroffenen Autokäufer und -hersteller werden's dann schon merken.
Warum leiten Sie nicht ein ordentliches parlamentarisches Verfahren ein? Warum lassen Sie uns den Antrag nicht in den zuständigen Ausschüssen beraten? Und warum legen Sie jetzt einen Antrag und stattdessen nicht gleich einen Gesetzentwurf vor?
Der Herr Bundeskanzler, der sich so gerne als Autokanzler präsentiert, schädigt mit diesem Antrag ohne vorherige Absprache die Autoindustrie. Ob nun der Antrag mit oder ohne ordentliches Verfahren verabschiedet wird: Merken werden es die Konzerne aus Wolfsburg, München und Stuttgart trotzdem. Was ist damit also gewonnen?
Wir von der Unionsfraktion sind gerne bereit, mit Ihnen über den Inhalt des Antrags und den eventuell daraus hervorgehenden Gesetzentwurf konstruktiv zu diskutieren. Zu diesem Zeitpunkt und wegen dieses Nacht-und-Nebel-Verfahrens lehnen wir den Antrag heute aber mit Bestimmtheit ab. Legen Sie einen Gesetzentwurf vor, den wir in einem ordentlichen parlamentarischen Verfahren in den Ausschüssen debattieren können! Dann werden wir uns mit Ihnen auch über die Sachargumente - über das Für und Wider dieser neuen Steuererhöhung - unterhalten!


Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es gehört zu den Vorzügen unserer Zeit, dass unsere Straßen immer besser werden und wir hier nicht mehr mit klapprigen Pferdekutschen über staubige Wege rattern wie im Wilden Westen. Aber es gehört zu den Perversionen unserer Zeit, dass Fahrzeuge boomen, die eher für steinige Pisten im Mittleren Westen der USA gemacht zu sein scheinen.
Manchen Autofreunden reichen Luxuswagen nicht mehr aus; sie brauchen Sport Utility Vehicles - SUV. "Geländewagen" ist eine eher verharmlosende Bezeichnung. "Erlebnisfahrzeuge" ist besser: mit Allradantrieb, Bodenfreiheit, strotzend vor Kraft und mit stets mehr als sechs Zylindern unter der Haube schnell, stark, massiv und unübersehbar. Den guten Blick über das Verkehrsgeschehen von da oben könnte man noch als Sicherheitsvorzug dieser Wagen ansehen.
Hoch zu Ross also kreuzt der zumeist eher wohlhabende Mensch der Moderne nicht mehr sandige Pisten, sondern die meist sechsspurigen Autobahnen Deutschlands und fühlt sich trotzdem wie John Wayne. Ist es Lifestyle? Es ist Lifestyle!
Dies ist freilich ein wenig überzeichnet, augenzwinkernd gemeint. Ich möchte hier nicht pauschal das individuelle Glück von Autoliebhabern verteufeln. Aber es kann nicht angehen, dass wir dieses Glück versilbern und die SUVs mit Steuererleichterungen subventionieren. Deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht.
Was ist das Problem? Aufgrund einer Gesetzeslücke können Fahrzeuge mit mehr als 2,8 Tonnen Gesamtgewicht als leichte Nutzfahrzeuge zugelassen werden. Ein Mercedes-M-Klasse-Wagen rangiert also in der gleichen Klasse wie ein Lieferwagen. Fahrzeuge, die als PKW aufgrund ihres hohen Schadstoffausstoßes nicht mehr zugelassen werden können, weil sie die PKW-Norm Euro 3 nicht erfüllen, schaffen dies nur als Nutzfahrzeuge. Obendrein sparen die Besitzer Kfz-Steuern, weil die Steuer für die gewerblich genutzten Lieferfahrzeuge bewusst niedriger ist als für gleich große PKW.
Beim Ausnutzen des Steuerschlupflochs waren verschiedene Seiten trickreich: Autohersteller, Gutachter, Werkstätten. Auch die Zulassungsstellen unterstützen die verbreitete Praxis der "Auflastung". Wenn noch zu leicht für das 2,8-Tonnen-Kriterium, werden die Autos mit eher marginalen Umrüstungen schwerer gemacht. Gutachter, Umrüster, Werkstätten haben daran mitgetan, alles im Grunde ganz legal. Gegen eine geringe Gebühr - oft nach Vorlage eines nicht kostspieligen Gutach-tens - wird dann von der Zulassungsstelle das zulässige Gesamtgewicht im Fahrzeugbrief auf 2,8 Tonnen erhöht.
Was der Bundesfinanzhof in seinem Urteil 1998 entschieden hatte - Fahrzeuge, die sowohl für Güter- als auch für die Personenbeförderung eingerichtet sind, eine umlegbare Rückbank haben und die über 2,8 Tonnen wiegen, nicht wie PKW mit emissionsbezogener Hubraumbesteuerung, sondern wie Nutzfahrzeuge zu besteuern -, galt wohl eher als Erleichterung für Handel und Gewerbetreibende, für KMU.
Doch nicht jeder Selbstständige braucht einen Allradantrieb, eher noch auf dem Land, wenn er über den Acker fahren muss, aber nicht in der Stadt. Für Winzer, Bauern, Förster und Handwerker - eben Gewerbetreibende - war die Steuerminderung für Nutzfahrzeuge vielleicht einmal gerechtfertigt - obwohl wir Grüne klar sagen: Wir müssen ökologisch schädliche Subventionen abbauen, und dies auch im Verkehrsbereich.
Wir sollten nicht - wie von Bundesverkehrsminister Stolpe angekündigt - neue Subventionstatbestände durch großzügige Ausnahmen für viele Berufsgruppen schaffen, sondern eher Anreize setzen, damit auch diese Berufsgruppen auf verbrauchsarme und emissionsarme Fahrzeuge setzen. Die SUV-Fahrzeuge aber dienen doch ganz offensichtlich nicht dem Betreiben von Gewerben, sondern dem Freizeitvergnügen. Die Besteuerung von Geländewagen als PKW ist also längst überfällig und muss schnellstmöglich umgesetzt werden.
Die bisherige Privilegierung ist sozial höchst ungerecht. Es handelt sich um Modelle, die in der Anschaffung 50 000 Euro und mehr kosten. Wer sich solche Autos leistet, kann dafür auch die angemessenen Steuern zahlen. Zwischen 500 und 700 Euro sparen die SUV-Besitzer im Jahr. Wem will man dies vermitteln, angesichts der breiten Debatte um das, was wir unseren Bürgern beim Umbau des Sozialstaats abverlangen? Die schätzungsweise 40 Millionen Euro Steuerausfälle im Jahr werden an anderer Stelle dringend gebraucht.
Gar nicht nachvollziehbar ist, dass wir mit einem Steuerprivileg Fahrzeuge fördern, die aus ökologischen Gründen höchst problematisch sind. Sie haben einen enormen Spritverbrauch. Viele Modelle verbrauchen 15 bis 20 Liter Sprit auf 100 Liter. Die letzten 20 Jahre Fahrzeugtechnologieentwicklung hatten unter anderem die Reduktion von Verbrauch und Schadstoffen im Zentrum. Es gibt viele gute Gründe, Sprit zu sparen: ökologische, politische und ökonomische. Dramatisch ist die klimaschädigende Wirkung durch den hohen Treibstoffverbrauch.
Die Selbstverpflichtung des Europäischen Verbandes der Automobilhersteller besagt, bis 2008 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer Neuwagen auf 140 Gramm pro Kilometer absenken zu wollen. Aber der VW Touareg emittiert zum Beispiel im Durchschnitt 329 Gramm pro Kilometer. Andere Modelle liegen noch höher. Wenn die Neuzulassungszahlen der SUV-Fahrzeuge weiter zunehmen, wird dieses Ziel wohl verwässert. Damit rückt das Erreichen der Selbstverpflichtung der Industrie einmal mehr in die Nähe des Unwahrscheinlichen.
Für SUV, die wie Nutzfahrzeuge besteuert werden, gelten wesentlich großzügigere Vorschriften für die Schadstoffemissionen. Die Fahrzeuge dürfen somit mehr Schadstoffe ausstoßen als vergleichbare PKW. Auch im Sinne des Gesundheitsschutzes ist es nicht verantwortbar, diese Fahrzeuge zu privilegieren.
Wir brauchen für die Reduktion der Emissionen im Verkehrsbereich dringend eine angemessene Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Kosten des Straßenverkehrs. Alle sehen es ein. Alle sind sich einig: die Finanzminister der Länder, die Umweltminister der Länder, der Bundesumweltminister, der Bundesverkehrsminister. Also sollte es doch gelingen, dieses Privileg endlich abzuschaffen.
Jenseits des Schließens von Steuerschlupflöchern ist Phantasie gefragt, um zumindest die wildesten Auswüchse unserer automobilverliebten Gesellschaft zu zügeln. Vor wenigen Tagen erreichte uns die Nachricht, dass die Pariser mit radikalen Maßnahmen gegen die wachsende Zahl von Geländewagen vorgehen wollen, weil sie ihre schöne Stadt verpesten, die Fußwege verparken und mit "Kuhfängern" die Fußgänger gefährden.
Von einer Ökoabgabe bis zu 3 200 Euro ist die Rede. Sie soll nach den Kriterien Benzinverbrauch und Schadstoffausstoß festgesetzt werden. Der Pariser Stadtrat ordnete mit rot-grüner Mehrheit Maßnahmen an, um die Nutzung von Geländewagen möglichst schnell einzuschränken.
Bald werden derlei Maßnahmen auch in deutschen Ballungsräumen diskutiert werden müssen, wenn ab 1. Januar 2005 die schärferen Grenzwerte der EU-Luftreinhalte-Richtlinie gelten. Dann werden sowohl schadstoffmindernde Eingriffe an Fahrzeugen nötig - wie etwa der Einbau von Rußpartikelfiltern und Nachrüstungen - als auch verkehrsbezogene Maßnahmen.
City-Maut, Straßensperrungen für bestimmte Fahrzeuge - vieles ist denkbar und zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt nötig. Mit der Abschaffung des Steuerprivilegs für SUV-Fahrzeuge tun wir einen Schritt von vielen.
Wir wollen keine Straßensperrungen, sondern umweltfreundliche Fahrzeuge. Schließlich stellt sich auch die Frage, wie viele Sheriffs wir bräuchten, um die Cowboys in ihren SUVs beim Überschreiten der Luftschadstofflimits aus den Städten zu verbannen.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

Unabhängig von der Thematik des Antrages möchte ich zunächst einmal die Methode kritisieren, mit der Sie diesen Antrag hier durchpeitschen wollen. Es ist dem Ansehen des Parlamentes nicht förderlich, wenn Sie dieses für die Betroffenen wichtige Thema in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abhandeln. Es ist einfach unangemessen, wenn der Antrag, den wir hier debattieren wollen, erst am Tag vor der Debatte überhaupt vorliegt.
Inhaltlich stimme ich Ihrem Antrag, der ja auf eine Initiative der Finanzminister der Länder zurückgeht, zu. Das deutsche Steuerrecht leidet unter seiner Kompliziertheit. Dies betrifft nicht nur die Kompliziertheit einzelner Steuergesetze, sondern auch die Vielzahl der in Deutschland erhobenen Steuern. Ein erster wichtiger Schritt zur Steuervereinfachung ist deshalb, Ausnahmeregelungen konsequent zu beseitigen. Wir müssen wegkommen von einer immer differenzierteren Ausgestaltung der Steuergesetze. Es ist ein Irrglaube, dass es zu mehr Steuergerechtigkeit kommt, wenn jeder Einzelfall eine genaue Abbildung in einem Steuergesetz finden muss.
Das Gegenteil ist der Fall. Jeder gut begründeten Ausnahme wird eine weitere, sicher ebenso gut begründete Ausnahme folgen. Dies führt im Ergebnis zu Steuergesetzen, die weder von der Verwaltung noch vom Bürger zu verstehen und damit anzuwenden sind. Trotzdem fühlt sich die Mehrzahl der Steuerbürger ungerecht behandelt, weil der Nachbar ja möglicherweise noch andere steuerliche Ausnahmen kennt und nutzt, und sei es nur, weil er besser beraten ist.
Dieses kollektive Ungerechtigkeitsgefühl führt dazu, dass das Unrechtsbewusstsein für Steuerverkürzung oder -hinterziehung in der Bevölkerung in nicht hinzunehmendem Maße ausgehöhlt wird. Immer mehr Bürger glauben, es sei ein Kavaliersdelikt, Steuern nicht zu zahlen. Immer weitere Teile der Gesellschaft entziehen sich ihrer Steuerpflicht: der kleine Mann durch Schwarzarbeit, Unternehmen durch Investitionsverlagerung, der Sparer durch Kapitalflucht. Die Steuerbasis in Deutschland wird brüchig.
Es muss deshalb oberstes Ziel des Steuergesetzgebers in Deutschland sein, die bestehenden Steuergesetze wieder auf ihren eigentlichen Zweck zurückzuführen. Die steuerlichen Tatbestände müssen klar definiert sein und keine Ausweichmöglichkeiten zulassen. Dies gilt natürlich auch für die Kraftfahrzeugsteuer. Trotz der jetzt geplanten Abschaffung des ungerechtfertigten Steuerprivilegs für schwere Geländewagen bleibt die Kraftfahrzeugsteuer aber kompliziert. Einen Regelsteuersatz gibt es nicht. Ökologische Zielsetzungen verkomplizieren die Berechnung der Kraftfahrzeugsteuer zusätzlich. Statt dieser unnötigen Reglementierung und Bürokratisierung könnten ökologische Ziele viel einfacher erreicht werden.
Die FDP fordert die aufkommensneutrale Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer. Ein solches Vorgehen hat zweierlei Vorteile. Durch die Abschaffung einer ganzen Steuerart wird ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Steuervereinfachung in Deutschland geleistet. Gleichzeitig ist gewährleistet, dass nicht mehr der ruhende Verkehr besteuert wird, sondern die gefahrenen Kilometer. Durch die Besteuerung nach den tatsächlichen Emissionen werden Kfz mit höherem Verbrauch stärker belastet als diejenigen mit niedrigem Verbrauch. Eine solche Regelung ist ökologisch sinnvoll. Die circa 4 000 Finanzbeamten, die mit der Bearbeitung der Kfz-Steuer beschäftigt sind, könnten nutzbringender eingesetzt werden. Für parteiübergreifende Konsensgespräche mit diesem Ziel steht die FDP zur Verfügung.


Iris Gleicke, Parl. Staatssekrtärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Bekanntlich fallen weder die Steuergesetzgebung noch ihr Vollzug in den Geschäftsbereich meines Ministeriums. Auf den ersten Blick mag es deshalb verwundern, dass ich als Vertreterin des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen das Wort ergreife zum Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Zielsetzung, das "ungerechtfertigte Steuerprivileg für schwere Geländewagen abzuschaffen".
Es geht dabei um Fahrzeuge, die wahlweise zur Personenbeförderung oder zur Güterbeförderung benutzt werden können, wie vor allem schwere Geländewagen oder so genannte SUV - Sport Utility Vehicles. Solche Fahrzeuge können ab einer bestimmten Gewichtsklasse von den Finanzbehörden der Länder steuerrechtlich als LKW eingestuft werden und werden dann entsprechend günstig, nämlich nur nach Gewicht besteuert. Ursache hierfür ist eine Bestimmung in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO).
Es handelt sich um den § 23 Abs. 6 a StVZO, der besagt:
Als Personenkraftwagen sind auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen, und die außer dem Führersitz, Plätze für nicht mehr als acht Personen haben.
Diese Bestimmung wurde 1969 zur verkehrsrechtlichen Klarstellung eingeführt, damit Kombinationskraftwagen bis einschließlich 2,8 Tonnen bei Überholverboten mit dem Zusatz "ausgenommen Personenkraftwagen" ohne weiteren Zusatz mit ausgenommen waren.

Die Steuerverwaltung der Länder und auch die höchstrichterliche Rechtsprechung der Finanzgerichte hat aus dieser verkehrsrechtlichen Bestimmung im Umkehrschluss gefolgert, dass Fahrzeuge dieses Typs, wenn ihr zulässiges Gesamtgewicht 2,8 Tonnen überschreitet, steuerrechtlich LKWs sind. Sie werden deshalb - wie bereits dargelegt - lediglich nach Gewicht und nicht hubraum- und emissionsbezogen besteuert.
Das Kraftfahrzeugsteuergesetz, für das der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat, sagt hierzu selbst nichts aus. § 23 Abs. 6 a StVZO ist somit sozusagen Steigbügelhalter für eine Steuerrechtspraxis, die die Halter derartiger - wie wir alle wissen - nicht ganz billiger Fahrzeuge kraftfahrzeugsteuerlich privilegiert.
Verkehrsrechtlich ist diese Bestimmung seit langem überflüssig, weil daran zumindest im Straßenverkehrsrecht keine Rechtsfolgen mehr geknüpft sind. Außerdem steht diese Bestimmung nicht mehr im Einklang mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften.
Auch deshalb begrüße ich als Vertreterin der Bundesregierung den gestern eingereichten Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Es macht Sinn, diese Vorschrift des Straßenverkehrsrechts ersatzlos aufzuheben.
Nun ist das mit Privilegien ja bekanntlich so eine Sache. Sobald in unserem Lande an irgendeinem Privileg gerüttelt wird, machen zumindest einige der Privilegierten mehr oder weniger überzeugende Argumente für die Beibehaltung des Privilegs geltend. Wir kennen das alle auch aus anderen Zusammenhängen. Aber wir haben alle Einwände und Bedenken selbstverständlich sorgfältig geprüft. Im Ergebnis bleiben wir bei unserer mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit abgestimmten Absicht, den § 23 Abs. 6 a StVZO aufzuheben, und der rot-grüne Antrag gibt uns dafür den politischen Flankenschutz.
Die entsprechende Verordnung zur Änderung der StVZO kann damit endgültig auf den Weg gebracht werden. Sie soll so rasch wie möglich dem Bundesrat mit der Bitte um Zustimmung zugeleitet werden.
Die seinerzeit bei der Änderung der StVZO überhaupt nicht beabsichtigte steuerliche Privilegierung schwerer Geländewagen ist mit dem Gedanken der Steuergerechtigkeit nur schwer in Einklang zu bringen. Auch im Hinblick auf den hohen Kraftstoffverbrauch und die im allgemeinen auch höheren Schadstoffemissionen ist diese Privilegierung erfehlt.
Nach der Änderung bzw. Aufhebung des § 23 Abs. 6 StVZO ist es Sache der Länder, die steuerrechtlichen Konsequenzen zu ziehen und diese in den Fahrzeugpapieren als "Personenkraftwagen" bezeichneten Kraftfahrzeuge so zu besteuern, wie es ihrem Verwendungszweck und ihrer technischen Beschaffenheit entspricht.
Ob hierzu eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes erforderlich ist, wird vom zuständigen Bundes-ministerium der Finanzen zusammen mit den Ländern geprüft werden müssen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Fahrzeuge, die Gegenstand des Antrages sind, teilweise auch gewerblich als Nutzfahrzeuge eingesetzt werden, zum Beispiel in der Land- und Forstwirtschaft, von Winzern und auch von Handwerkern. Damit wäre auch die Frage zu prüfen, ob eine kraftahrzeugsteuerliche Differenzierung zwischen schweren Geländwagen, die außschließlich oder ganz überwiegend zu privaten Zwecken genutzt werden, und solchen, die gewerblich als Nutzfahrzeuge verwendet werden, geboten ist.
Das Anliegen des rot-grünen Antrags ist jedenfalls berechtigt.

Mit unserem Vorhaben, den § 23 Abs. 6 a StVZO ersatzlos aufzuheben, sind wir als Bundesregierung auf dem richtigen Weg. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.

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