Re: Alle zwei Jahre....
WWW.LT-FORUM.DE - Der Treff für LT-Fahrer und Wohnmobilisten
Geschrieben von Joachim S am 16. August 2016 15:33:39:
Als Antwort auf: Re: Alle zwei Jahre.... geschrieben von gr am 15. August 2016 13:28:11:
Hi Gerald,
da lass ich nix aufs Wiki kommen...
Wenn da steht, Herstellerempfehlung alle zwei Jahre, dann ist das so richtig.
Aber die Hersteller empfehlen halt viel, und der mündige Fahrzeugnutzer weiß das und zieht seine eigenen Konsequenzen und Schlüsse.
Gings nach dem Hersteller, führen unsere Autos schon längst nicht mehr! Bedenke, die haben nichtmals ein ESP. Wer würde denn heute noch seiner Tochter ein Auto ohne ABS und ESP und Airbags rundum in die Hand geben, und sagen, fahr mal über die Alpen, ist schön da... Besonders die kleinen engen Pässe, da lernst du Autofahren...
Ich hoffe, das gleitet jetzt nicht alles zu sehr ins philosophische ab... Aber ich würde es mir gern von der Seele schreiben...
Ich hab zwar keine Tochter, war aber selbst mal 18 und Führerscheinneuling, und kann mich gut dran erinnern...
Erst hatte ich ein Motorrad, was man keinem Fahranfänger empfehlen darf. Eine Yamaha RD 350, ein Höllengerät... Ich habe es mit Glück und Verstand überlebt, andere meines Alters hatten von zumindest einem von Beidem offenbar weniger.
Dann gings zur Bundeswehr, und ich wollte ein Auto. Mein erstes Auto war ein Austin Allegro (heute völlig zu recht vergessen...). Den hatte ich von einem ehemaligen Schulkollegen gekauft, für hundert Mark, und der Tank war auch noch voll. Fuhr halt nicht, Vergaser war verstopft... War für mich kein Problem, den wieder ans Laufen zu kriegen.
Das Auto war unglaubliche Sche... Man kann sich das kaum vorstellen, es war erst fünf Jahre alt, aber der Tank war bereits durchgerostet, die Stoßdämpfer rundum funktionslos, beide Schweller komplett durchgerostet, der Unterboden von den Innenschwellern abgerostet, hing wie eine Hängematte nur noch vorn und hinten, im Scheinwerfer hätte man Kaulquappen ausbrüten können, und das Schlimmste daran, ich übertreibe nicht!
Aber es hatte ein Jahr TÜV... Und es fuhr wie der Teufel. Ich hab ne Menge an Fahrzeugbeherrschung gelernt, an dieser Schrottkarre, und die war auch bitter nötig. Wenn ich mir vorstelle, dass ich damit wohl mehrmals die inoffizielle Nato-Rallye auf dem Siegerpodest absolviert habe, das meist vollbesetzt mit 5 Leuten, die auch alle nach Hause wollten und die ansonsten weder Tod noch Teufel zu fürchten schienen. Wenn ich daran zurückdenke, kann ich auch nur noch den Kopf schütteln. Ich hatte kein Geld, und so war alles nur behelfsmäßig "repariert". Gepfuscht trifft es besser. Reifen waren vom Schrotthaufen zusammengesucht, selbst auf die Felgen gewürgt, auf Auswuchtung wurde großzügig verzichtet. Der durchgerostete Tank wurde durch einen 30-Liter-Plastikkanister im Kofferraum ersetzt, ein einziger Alptraum...
Abends bin ich mit der Karre oft noch über illegal über die Truppenübungsplätze gedroschen, und ich glaubte, Walter Röhrl müsste sich schon warm anziehen, und ich würde ihn sicher bald beerben ;-)
Meine Eltern hatten sicherlich oft schlechte Träume, aber was wollten sie schon machen, ich war halt volljährig, und es war nicht die Zeit und die Umstände, wo man den Kindern mit 18 einen braven Neuwagen finanzieren konnte, damit der Sohnemann auch ordentlich zur Uni kommt...
Bei mir ging es nahtlos so weiter, ich hatte einen Schrottkäfer, und dann den Bulli. Ein T1!
Den hab ich nicht etwa gekauft, weil er so hip war, sondern weil das der einzige war, für den mein Geld gereicht hatte. Ich glaub, ich hab etwa 1000 Mark bezahlt, und Papa hat noch was dazugetan... Die T2s waren alle viel teurer, und trotzdem völlig durchgerostet...
Es begann die Studenten-Zeit. Ich und meine Kumpels waren selbstverständlich "coole Studenten". Wir wahren wohl mehr auf dem Surfbrett als an der Uni, Mit dem T1 tourten wir bis Süd-Marokko, Ost-Türkei, und zwischendurch eben zum nächsten See. Wartung, Bremsflüssigkeitswechsel? Vergiss es, immer nur das nötigste, dass er fuhr. Und das tat er mit ordentlich Improvistation immer.
Natürlich bin ich heute viel ruhiger, und wechsle auch mal einen Reifen, "nur weil er ein paar Risse hat". Damals hab ich gefahren, bis er platzt...
Es ist immer gut gegangen, ich habe viel gelernt, und um nichts auf der Welt würde ich die Zeit vermissen wollen. Wenn meine Tochter einen ollen Bulli kaufen und los fahren wollte, meinen Segen hätte sie. Auch wenn ich dann wahrscheinlich zu Hause sitzen und zittern würde. Noch lieber wäre es mir zugegebenermaßen, sie würde vorher mit mir zusammen die Karre durchsehen, und ein paar Teile und gern auch die Bremsflüssigkeit vorsorglich tauschen...
Dann würden wir bestimmt ins Wiki gucken, und wenn da steht "alle zwei Jahre", dann würde ich sagen, die Brühe ist bestimmt schon knapp so alt wie das Auto, lass uns auf jeden Fall tauschen. Ich würde mit ihr auf einen großen Parkplatz fahren und Bremsen ohne ABS üben. Und ein paar Slalomhütchen aufstellen, Ausweichen üben und Fahrtipps geben.
Aber ich fürchte, so käme es nicht; Die Zeiten haben sich geändert. Meine hypothetische Tochter wäre wohl viel vernünftiger als ich es war. Sie würde um das Auto gehen, die Nase rümpfen, den Kopf schütteln, und in einen Billigflieger steigen...
Wahrscheinlich sind wir eh Relikte. Die letzte Generation, die automobile Freiheit noch erlebt hat...
Gruss Jo
- Re: Alle zwei Jahre.... gr 16.08.2016 17:22 (0)
WWW.LT-FORUM.DE - Der Treff für LT-Fahrer und Wohnmobilisten