Re: Teilequalität der Kolben


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Geschrieben von Tiemo am 07. November 2011 22:01:31:

Als Antwort auf: Re: Teilequalität der Kolben geschrieben von Uwe FDS am 07. November 2011 20:09:21:

Hallo Uwe!

>Bei all dem gibt es aber eben auch ein paar Grundprinzipien. Man ist für sein Handeln selber verantworlich und man sollte wissen, was man tut. Mit Lehrbuchweisheit kommt man da nicht weit, im Gegenteil.

An der Stelle muss ich dir jetzt doch mal widersprechen: Die ersten zwei Aussagen unterschreibe ich sofort, aber ich weiß ja nicht, was du für Lehrbücher hast: In meinen ist das Verhalten von Dehnschrauben exakt so beschrieben, wie du das weiter oben getan hast. Sie haben einen hookeschen Bereich, in dem sie wie lineare Federn reagieren und das Moment über den Drehwinkel kontinuierlich ansteigt. Dann kommen sie in den plastischen Bereich, dort macht die Drehwinkel/Momenten-Kennlinie einen Knick, den man bei der erforderlichen Sensibilität registrieren kann. Das ist noch nicht der Bereich der Höchstkraft, weil sich durch die plastische Verformung der Werkstoff zunächst noch weiter (leicht) verfestigt (sogenanntes work-hardening). Allerdings tritt bei hochfesten Schrauben geringer Bruchdehnung schon recht bald der Bereich der Entfestigung auf, den man auf jeden Fall vermeiden muss, denn von da ab geht es abwärts...

Die Anleitungen für relativ ahnungslose Monteure, die die Motoren assemblieren, möchte ich nicht als Lehrbücher bezeichnen, eher als Montageanweisung. Sie zeigen EINEN Weg auf, wie man ohne Vorwissen auf relativ rohe Art und Weise zu einem sicher montierten Motor kommt, der nicht gleich auseinanderfällt, wenn er angelassen wird. Dazu gehört dann halt auch, dass man die Schrauben bis zu einem gewissen Moment anzieht und dann noch einen definierten Winkel weiter dreht. Dabei muss man nicht fühlen oder nachdenken, das kann man einfach so ausführen, selbst, wenn man ein Roboter ist. Folge ist dann natürlich, dass eine so behandelte Schraube nicht beliebig oft auf diese Weise verwendet werden kann und daher getauscht gehört, denn der Werkstoff hat die bereits erfolgten Dehnungen plastisch "gespeichert".

Dass Leute mit Wissen (aus Lehrbüchern), Verstand und Gefühl aus dem Material durch schonende Behandlung viel mehr herausholen können, ist natürlich völlig unbestritten.

>Wenn man so einen Motor zusammenschrauben will, muss man selber denken und abweichend von Lehrbuchweisheit handeln.

Selber denken ja, und immer das Gelernte im Hinterkopf behalten! Dann kann man beurteilen, warum in Montageanweisungen wie vorgegangen wird und gegebenenfalls begründet davon abweichen.
Ich kann aber aus eigener Erfahrung sagen, warum so Montageanweisungen für eine erfolgreiche Montage durch Nicht-Ingenieure und Nicht-Meister so wichtig ist: Monteuren muss man lückenlose Anweisungen ohne Interpretationsspielraum liefern, sonst ist das Ergebnis ungewiss. Ist es oft auch so, aber dann kann man den Leuten wenigstens auf die Finger klopfen, weil sie (vorausgesetzt, die Montageanweisung ist korrekt) dann bestimmt davon abgewichen sein müssen.

Ich habe selbst schon auf Baustellen Dialoge der folgenden Art erlebt:
"Der blöde Flansch ist einfach nicht dicht zu kriegen! Was sollen wir tun?"
"Sind die Schrauben denn mit dem richtigen Moment und in der richtigen Reihenfolge angezogen worden?"
"Aber natürlich!!!"
"Zeig mir mal den eingestellten Drehmo-Schlüssel"
"Ähm... - wir haben garkeinen Drehmo mit, aber wir machen das nach Gefühl, das hat bisher immer funktioniert..."

Noch Fragen? In dem Fall wurde weder nachgedacht (man kann so einen Flansch auch durchaus ohne Messmittel dicht bekommen, wenn man gezielt vorgeht), als den Montageanweisungen Folge geleistet, von Lehrbuchweisheit völlig zu schweigen. Ich habe die weitere Montage dann mal unauffällig beobachtet, und es wurden die Schrauben erst mal ringrum händisch eingesetzt und lastfrei beigeschraubt, dann mit einem Gabelschlüssel auch schön der Reihe nach beigezogen, sogar in mehreren Stufen. Aber niemand fiel auf, dass in der ersten Runde die ersten eingesetzten Schrauben viel weiter angedreht waren, als später erforderlich, und den Flansch zunächst schief zogen. Nachdem die gegenüberliegenden Schrauben dann mit durchaus moderatem Moment angezogen waren, ließen sich die ersteren Schrauben mit keinem durch Gabel- oder Ringschlüssel aufzubringenden Moment überhaupt noch in irgendeine Richtung bewegen, weil sie über den gewaltigen Hebel des Flanschdurchmessers einfach auf Nennmaß gezogen wurden. Also deklarierte man sie einfach als "fest", die Hilfeschreie der Dichtung nahm niemand wahr. Keiner verstand auch, warum diese einfache Rohrverbindung ums Verrecken nicht dicht werden wollte, man hielt sich Stunden mit dem Problem auf und konnte meine Wut überhaupt nicht nachvollziehen...

Gruß,
Tiemo



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