Re: Falschwissen über LT-Motor, 6 Zylinder


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Geschrieben von Chris am 15. Januar 2012 10:10:08:

Als Antwort auf: Re: Falschwissen über LT-Motor, 6 Zylinder geschrieben von Stefan Steinbauer am 14. Januar 2012 22:32:19:

Servus zusammen,

es stellt sich halt die grundsätzliche Frage, was man als "Grundmotor" definiert und welche Gemeinsamkeiten entscheidend sind. Am Anfang jeder Motorenentwicklung steht ein einzeln aufgebauter Zylinder, der auf dem Prüfstand läuft. Damit legt man Bohrung, Hub, Kolbengeometrie, Zylinderkopfgeometrie, Einspritzverhalten etc. fest. Mit Hilfe von gläsernen Bauteilen und Wärmebildkameras wird der Verbrennungsverlauf genau dokumentiert. Dann wird optimiert und verbessert. Und dann erst geht man daran, mehrere von diesem "Musterzylinder" in einen gemeinsamen Motorblock zu packen. Wenn man es also darauf reduziert, so kann man sicherlich sagen, daß zwar nicht der Sechszylinder aus dem Vierzylinder entstanden ist, aber beide definitiv einen gemeinsamen Vorfahren haben. Mir drängt sich ein bisschen der Vergleich mit den Menschen und den Affen auf, irgendwann im Laufe der Entwicklung haben sie sich in unterschiedliche Richtungen bewegt, die einen schimpfen sich jetzt "kultiviert", die anderen machen weiter ihr Ding...
Für mich ist das aber nicht die entscheidende Sichtweise. Wenn ich sage, daß ein Motor mit einem anderen eng verwandt ist oder sogar auf ihm aufbaut, geht es für mich nicht nur um Kolben, Pleuel, Ventile und Stössel, die vielleicht gleich sind. Ich kuck schon mehr auf die gesamte Motorkonstruktion inkl. der lebenswichtigen Anbauaggregate, wo man da gleiche Wege beschritten hat, wo man Teile vom einen in den anderen Motor übernommen hat, und welche Motoren untereinander austauschbar sind (mit geringen Änderungen). Da sind für mich die Fünfzylinder und Sechszylinder enge Geschwister, denn ich verbaue z.B. Ölpumpen und Vakuumpumpen vom Fünfzylinder im LT, und man kann z.B. allein vom Getriebeflansch her den Fünfzylinder in den LT reinsetzen, ohne eine aufwändige Adapterplatte zu brauchen. Den Vierzylinder kuck ich mir an und kann eigentlich nichts davon wirklich brauchen. Allein schon diese ziemlich aufwändige Konstruktion mit der Zwischenwelle, die Kosten und v.A. Gewicht bringt und in den großen Motoren gar nicht zu finden ist, wo ist da die Verwandtschaft? Und was bringt mir also die Aussage, daß der Sechszylinder aus dem Vierzylinder entstanden sein soll?

Zum Thema Gleichteilestrategie: Das wird hier teilweise so kritikmäßig angebracht. Im Grunde muss man doch darüber froh sein. VW hat schon immer Autos so konstruiert, daß man über große Stückzahlen zu günstigen Preisen bauen konnte, um eben auch Autos zu bauen, die sich möglichst viele Leute leisten können. Volks-Wagen eben. Da ist es einfach nicht drin, große Varianz zu bringen, wozu soll das gut sein? Früher war dieses Baukastensystem ja auch problemlos umsetzbar. Heute ist es das nicht mehr, aufgrund sehr strenger Abgasvorschriften und der Verbrauchsoptimierung muss jeder Motor mit viel Erprobungsaufwand an das jeweilige Modell angepasst werden, in dem er gerade verbaut ist. Da viele Parameter mittlerweile rein elektronisch bzw. über Software gesteuert werden, können viele mechanische Elemete der Motoren modellübergreifend gleich bleiben, trotz allem ist der finanzielle Aufwand in der Entwicklung gewachsen.

Es wird hier gesagt, daß die Motoren damals überweigend mit der gleichen Bohrung und dem gleichen Hub ausgelegt wurden. Diese Aussage lässt sich genau am Beispiel Audi/VW Motorfamilie 827 sofort widerlegen. Die Motoren gab es im Laufe ihrer Geschichte von 1,5 bis 2l Hubraum. Bohrung und Hub variierten ständig. Die allseits beliebten 1,8l-Motoren hatten die gleiche Bohrung wie eine späte Generation der 1,6l-Motoren, die unterschieden sich nur im Hub, teilten sich aber den exakt gleichen Motorblock. Die vorhergehende Variante der 1,6l-Motoren hatte eine kleinere Bohrung, dafür mehr Hub. Zwischendurch gab es mal den 1,7l Motor, mit größerer Bohrung aber gleichem Hub wie die späteren 1,6l. Im Audi 80 wuchs der 1,8l 90PS auf einen 2l 90PS, indem man u.A. den Motorblock nach oben um 2cm wachsen ließt, es entstand ein Langhuber für mehr Drehmoment. Neben den später so bewährten 2l-Varianten mit großer Bohrung gab es auch mal für zwei Jahre eine eher seltene 1,9l-Variante, mit gleicher Bohrung wie der 2l, aber anderem Hub, und komplett anderen Kolben. Mit anderen Worten, es gab eigentlich nichts, was es nicht gab.

Keine Ahnung wohin uns die Diskussion jetzt gebracht hat, aber offensichtlich bewegt es viele von uns ;-)

Gruß Chris



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