KFZ-Steuer; haben WIR doch noch GLÜCK ?
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Geschrieben von Alfred us Bonn am 30. August 2006 20:09:43:
Hallo Gemeinde,
hab gestern zufällig in der WochenNews einen Artikel über einen Gerichtsbeschluß "In Sachen LandRover Defender - über 2.8 To zul.GG" gelesen und es scheint, daß WIR LT´ler wohl da mitziehen können (gleiches Recht für Alle - über 2.8 To...usw.). Schaun mer halt mal.
U.g. Abdruck anbei.Viele Grüße
Alfred aus Bonn
........................................FINANZGERICHT DÜSSELDORF
8 V 2091/06 A (Verk)
B E S C H L U S S
In dem Verfahren
"A"
- Antragstellerin –
Prozessvertreter:
gegen
- Antragsgegner –
wegen Aussetzung der Vollziehung (Kraftfahrzeugsteuer)
hat der 8. Senat in der Besetzung:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
am 29. Juni 2006 beschlossen:
Die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 20.03.2006 wird ab
Fälligkeit bis einen Monat nach Bestandskraft eines Ergebnisses über den
hiergegen eingelegten Einspruch mit der Maßgabe ausgesetzt, dass die
Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen
weiterhin nach dem zulässigen Gesamtgewicht bemessen wird. Die Berechnung
des auszusetzenden Betrages wird dem Antragsgegner übertragen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e :
Die Beteiligten streiten über die Aussetzung der Vollziehung eines
Kraftfahrzeugsteuerbescheides.
Die Antragstellerin betreibt eine Autovermietung. Sie ist Halterin eines Kraftfahrzeuges
vom Typ Land Rover Defender mit einem Leergewicht von 2.055 kg und einem
zulässigen Gesamtgewicht von 2.950 kg. Bei dem Wagen handelt es sich
lt. Fahrzeugbrief um einen geschlossenen Pkw mit Dieselantrieb, der einschl. Führersitz
über 5 Sitzplätze verfügt. Er wurde zunächst als Lastkraftwagen nach Gewicht
besteuert. Mit gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes -KraftStGgeändertem
Bescheid vom 20.03.2006 stufte der Antragsgegner den Land Rover ab
dem 01.05.2005 als Pkw ein und besteuerte ihn gemäß § 8 Abs. 1 KraftStG nach
Hubraum und Schadstoffausstoß. Den Wechsel der Fahrzeugart begründete er mit dem
Wegfall des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrszulassungsordnung -StVZO-. Über den
gegen den Kraftfahrzeugsteuerbescheid eingelegten Einspruch hat er noch nicht
entschieden, sondern das Verfahren zum Ruhen gebracht. Den Antrag auf Aussetzung
der Vollziehung hat er abgelehnt.
Die Antragstellerin hat daraufhin das Gericht mit der Bitte um vorläufigen Rechtsschutz
angerufen.
Sie trägt vor:
Die Besteuerung des Fahrzeugs hätte gem. § 8 Abs. 2 KraftStG wie bisher nach
Gewicht erfolgen müssen, weil es sich um ein „anderes Fahrzeug“ im Sinne dieser
Vorschrift handele. Die im Kraftfahrzeugsteuergesetz verwendeten Begriffe des
Verkehrsrechts richteten sich nach den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen
Vorschriften. An die Stelle des ersatzlos gestrichenen § 23 Abs. 6a StVZO seien
Bestimmungen des gemeinschaftlichen Verkehrsrechts getreten. Der Antragsgegner
hätte auf die EU-Richtlinie 70/156/EWG vom 06.02.1970 in der Fassung der Richtlinie
2001/116/EG vom 20.12.2001 zurückgreifen müssen, die die Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Fahrzeuge regele.
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Lt. Anhang II Gliederungspunkt C Nr. 1 werde nicht als Fahrzeug der Klasse M 1 (Pkw)
angesehen ein „AF-Mehrzweckfahrzeug“ (Kraftfahrzeuge zur Beförderung von
Fahrgästen und deren Gepäck oder von Gütern in einem einzigen Innenraum), wenn es
außer dem Fahrersitz nicht mehr als 6 Sitzplätze habe und außerdem die
Voraussetzungen der „Bedingung P ./. (M + N x 68) größer als N x 68“ erfülle. Dies träfe
auf den Land Rover Defender zu.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Antragstellerin wird auf die
Einspruchsbegründung vom 26.04.2006 und die Antragsschrift vom 15.05.2006
verwiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Vollziehung des Bescheides vom 20.03.2006 auszusetzen, soweit die
Steuer höher als 172,31 € festgesetzt ist,
2. soweit Aussetzung der Vollziehung gewährt wird, die Verwirkung von
Säumniszuschlägen bis zum Ergehen des gerichtlichen Ergebnisses über den
Aussetzungsantrag aufzuheben,
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen,
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
Er trägt vor, die Anwendbarkeit der Lastenformel für M 1 AF-Fahrzeuge könne den
vorliegenden präsenten Unterlagen nicht entnommen werden. Die Anzahl der Sitzplätze
gehe aus der Kopie des Fahrzeugbriefes, soweit sie lesbar sei, ebenso wenig hervor
wie die Angabe zur Masse in fahrbereitem Zustand (2.055 kg statt 2.020 kg). Auch
wenn die EU-Richtlinien seit dem 01.07.2002 von den Mitgliedstaaten verbindlich
anzuwenden seien und sich deshalb gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG eine Bindung für
die Einstufung von Kraftfahrzeugen ergäbe, habe der Antragsteller nicht nachgewiesen,
dass der Land Rover Defender ein AF-Mehrzweckfahrzeug und insbesondere keine
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AC-Kombi-Limousine sei. Nach Anhang II A Nr. 1 der Richtlinie 2001/116/EG handele
es sich bei für die Personenbeförderung ausgelegten und gebauten Kraftfahrzeugen mit
höchstens 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz um Personenkraftwagen der Klasse M 1,
und zwar unabhängig von der Aufbauart.
Der Antrag ist begründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO- kann das
Gericht die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts ganz
oder teilweise anordnen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen.
Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und
Rechtslage neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen
die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder
Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der
Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl III
1967, 182; ständige Rechtsprechung).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Bei summarischer Prüfung ist es
ernstlich zweifelhaft, ob der Antragsgegner gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG berechtigt
war, die Kraftfahrzeugsteuer durch den angefochtenen Bescheid zu ändern. Eine
Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer ist danach nur möglich, wenn sich die
Bemessungsgrundlage oder der Steuersatz geändert haben. Die von der
ursprünglichen Besteuerung als Lkw abweichende Besteuerung als Pkw nach § 8
Abs. 1 KraftStG begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken. Es sprechen gewichtige
Gründe dafür, dass trotz der ersatzlosen Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO durch die
27. Verordnung zur Änderung der StVZO vom 02.11.2004 mit Wirkung ab 01.05.2005,
der die Einstufung des Fahrzeugs als Lkw wegen des zulässigen Gesamtgewichts von
mehr als 2,8 t ermöglichte, der Land Rover Defender weiterhin als anderes Fahrzeug
i.S.d. § 8 Abs. 2 KraftStG zu besteuern ist.
An die Eintragung im Fahrzeugbrief „Pkw geschlossen“ ist der Antragsgegner nicht
gebunden. Die verkehrsbehördliche Zulassung ist kein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171
Abs. 10 AO (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom
26. August 1997 VII R 60/97, BStBl II 1997, 744). Auch ist der Begriff “Pkw” im KraftStG
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nicht definiert. Jedoch richten sich die im Gesetz verwendeten Begriffe des
Verkehrsrechts gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG nach den jeweils geltenden
verkehrsrechtlichen Vorschriften. Auf Grund dieser ausdrücklichen Anbindung an das
Verkehrsrecht ist die Frage, was ein Pkw ist, nach Verkehrsrecht zu bestimmen (vgl.
FG Köln, Beschluss vom 28.11.2005 6 V 3715/05, EFG 2006, 444).
In diesem Sinne hat der BFH auch in sämtlichen Entschlüssen, in denen es um die
Abgrenzung Pkw oder Lkw ging, stets auf die verkehrsrechtliche Vorschrift des § 23
Abs. 6a StVZO zurückgegriffen und hieraus seine „Pkw-Definition“ entwickelt.
Trotz des Wegfalls dieser Vorschrift ist für die Abgrenzung kein definitionsfreier
Beurteilungsspielraum entstanden. Denn verkehrsrechtliche Vorschriften können auch
im europäischen Gemeinschaftsrecht verankert sein, auf die beim Fehlen nationaler
Bestimmungen zurückzugreifen ist. Einschlägig ist im Streitfall die EU-Richtlinie
70/156/EWG vom 06.02.1970 (Amtsblatt-Abl-L 42 vom 23. Februar 1970, S. 1) i.d.F.
der Richtlinie 2001/116/EG vom 20.12.2001 (Abl-EG L 18/1 vom 21.01.2002, S. 39).
Dies war auch die Zielsetzung des Gesetzgebers bei der Aufhebung des § 23 Abs. 6a
StVZO. Zur Begründung heißt es nämlich (BR-Drucksache 600/04):
„Der Regelungsinhalt des § 23 Abs. 6a StVZO ist nicht mit den in der Richtlinie
70/156/EWG vorgegebenen und von den Mitgliedsstaaten verbindlich
anzuwendenden Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen
für Fahrzeuge der Klasse M 1 (Personenkraftwagen) vereinbar. ..... Die
Bestimmung soll daher aufgehoben werden.
Durch die Aufhebung dieses Absatzes werden die Vorschriften der StVZO an das
EG-Recht, und zwar an die Richtlinie 70/156/EWG angepasst. Dieses sieht bei
der Definition der Fahrzeugklassen eine Begrenzung der zulässigen
Gesamtmasse für Kraftfahrzeuge der Klasse M 1 (für die Personenbeförderung
ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit höchstens 8 Sitzplätzen außer dem
Fahrersitz), zu denen auch die Mehrzweckfahrzeuge gehören, nicht vor. Nur
wenn die in dieser Richtlinie im Anhang 2 Abschn. C in Nr. 1
Personenkraftwagen (M 1) unter AF-Mehrzweckfahrzeug beschriebenen
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besonderen Bedingungen erfüllt werden, gilt ein solches Fahrzeug nicht als
Fahrzeug der Klasse M 1.“
Das Fahrzeug des Antragstellers erfüllt diese Ausnahmebedingung. In Anhang II der
Richtlinie 2001/116/EG vom 20. Dezember 2001 werden die Begriffsbestimmungen für
Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen in den Gliederungspunkten A bis C
vorgenommen. Danach werden Personenkraftwagen der Klasse M 1 zugeordnet. Das
sind Fahrzeuge, die für die Personenbeförderung ausgelegt und gebaut sind und
höchstens 8 Sitze außer dem Fahrersitz haben. Abweichend hiervon gelten indes
- nach C.1. - sog. „AF-Mehrzweckfahrzeuge“ (Kraftfahrzeuge zur Beförderung von
Fahrgästen und deren Gepäck und von Gütern in einem einzigen Innenraum) dann
nicht als Personenkraftwagen (Klasse M 1), wenn sie außer dem Fahrersitz nicht mehr
als 6 Sitzplätze haben und sich das Verhältnis von Nutz - zur Personenlast nach der
Bedingung P ./. (M + N x 68) > N x 68 darstellt.
Der Land Rover Defender verfügt über insges. 5 Sitzplätze lt. Fahrzeugbrief, sodass
hier vier Sitzplätze für Fahrgäste zur Verfügung stehen. Auch die Lastenformel ist im
Streitfall zu Gunsten einer abweichenden Einstufung erfüllt. Zwar stimmen die vom
Antragsteller genannten Zahlen nicht mit den im Fahrzeugbrief enthaltenen Zahlen
überein. Gleichwohl ergibt sich folgende Berechnung zu Gunsten der Nutzlast:
P (techn. zulässige Gesamtmasse in kg) ./. (M {Masse in fahrbereitem Zustand in
kg] + N {Zahl der Sitzplätze außer dem Fahrersitz} x 68) > N x 68
2.950 ./. {2.055 + 4 x 68} > 4 x 68
Ergebnis: 623 > 272.
Die Bedenken des Antragsgegners, gestützt auf den Beschluss des FG Nürnberg vom
13.03.2006 VI 417/2005 (EFG 2006, 843), der Antragsteller habe nicht nachgewiesen,
dass der Land Rover ein Mehrzweckfahrzeug der Klasse AF ist, teilt der Senat nicht.
Der Wagen dient zur Beförderung von Fahrgästen und deren Gepäck oder von Gütern
in einem einzigen Innenraum. Außerdem geht aus dem Fahrzeugbrief im Gegensatz zu
den vom FG Nürnberg zu beurteilenden Fahrzeugen keine EG-Typgenehmigung
hervor, die nur der Klasse M 1 (Pkw) vorbehalten ist. Daraus ist bei summarischer
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Prüfung im Umkehrschluss abzuleiten, dass das Fahrzeug nicht unter die
Kraftfahrzeuge AA bis AE, sämtlich M 1-Fahrzeuge, fällt.
Einem Entschluß über die Aufhebung der Vollziehung bezüglich der verwirkten
Säumniszuschläge bedarf es nicht, weil die Aussetzung der Vollziehung ab Fälligkeit
ausgesprochen worden ist, so dass die Säumniszuschläge automatisch entfallen.
Kostenergebnis erfolgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Beschwerde wird zugelassen. Die Rechtssache hat aufgrund der Vielzahl der
betroffenen Fälle grundsätzliche Bedeutung i.S. der §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr.1
FGO.
- Re: KFZ-Steuer; haben WIR doch noch GLÜCK ? Stefan Steinbauer 30.8.2006 20:57 (0)
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