Hochwasser- ein Jahr danach. Danke an das Forum. Vieeeel Text!
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Geschrieben von Martin aus Pirna am 13. August 2003 17:10:51:
Hallo erstmal (K.R. meint immer so schön "moin!";-)
Ein Jahr ist das Hochwasser bei uns nun schon Geschichte, Zeit für einen kleinen Abriss über das Geschehen, auch nach dem Hochwasser. Deswegen, weil durch das Forum so viel Hilfe gebracht wurde. Sicher auch nicht normal in den verschiedenen Foren, einfach so übers Internet...
Am 17. 08. vor einem Jahr hatten wir mächtig viel mehr Wasser in der Elbe als zum heutigen Datum. Zum Vergleich: am letzten Sonnabend wurde auch die Personenschiffart eingestellt, die Schleppschiffahrt ruht schon seit zwei Wochen. Der Pegel ist bei 70cm. Bei uns vorm Haus im Sportboothafen liegen alle Boote auf Grund. Vor einem Jahr sah das anders aus. Da fuhren auch keine Schiffe mehr, aber wenn sie gefahren wären, hätten sie 9,40 m Wasser unter sich gehabt. Die Elbe war ein reißender Strom geworden, der alles mitnahm, was er finden konnte. Strohballen zu hunderten, Wohnwagen, halbe Carports und ganze Gartenhäuschen, Container, Fähren... Pirna wurde zwei Mal überflutet: bevor die Elbe langsam in die Stadt eindrang hatten schon die sonst harmlosen Bäche Seidewitz und Gottleuba die Stadt innerhalb von 30 Minuten völlig unter Wasser gesetzt. Das ging so blitzartig, daß viele Leute nichts mehr in Sicherheit bringen konnten. In Zinnwald im Erzgebirge war an diesem Tag ein neuer deutscher Rekord aufgestellt worden. 312 Liter Wasser pro Quadratmeter prasselten innerhalb von 24 Stunden herunter. Und Zinnwald ist nur 25 Km weg. Von dort kommen Seidewitz und Gottleuba. Dämme brachen, Brücken wurden weggespült, unzählige Häuser wurden eingerissen, alle Straßen und Bahnlinien in den Tälern innerhalb von Minuten unpassierbar. Aber als die Menschen sich wieder ans aufräumen machten und die Stadt wenigstens auf den Hauptverkehrsadern wieder befahrbar wurde, fing die Elbe an, zu steigen. Ich hatte schlauerweise noch nicht begonnen, die Vorderachse auseinanderzubauen, wie eigentlich geplant, weil mir der Wasserstand schon am Sonnabend verdächtig hoch vorkam. Hätte ich die Achse ausgebaut, hätte über dem Dach des LTs noch mehr als 2 Meter Wasser gestanden. Erste Straßen wurden gesperrt, Notwege eingerichtet. Hochwasser ist etwas völlig alltägliches bei uns. Ich bin unmittelbar an der Elbe aufgewachsen, nur durch Weg und Böschung vom Fluß getrennt. Fast jeder in unserer Nachbarschaft hatte ein Faltboot oder einen anderen schwimmfähigen Untersatz. Also dachten wir uns auch da noch nichts Schlimmes. Aber als das Wasser bei uns die Treppen von der Straße in den Hof hochkletterte und den Pegel von 1981 überschritt, war uns doch bange: Wenn das so weitergeht... Es ging weiter, pro Stunde um ca. 5 cm. In 24 Stunden waren es 1,50m. Und es regnete weiter, ohne Pause. Die Garage wurde geleert, das, was ich erst an die Decke gehangen hatte oder in die oberen Regalböden, holte ich am nächsten Tag mit dem Schlauchboot wieder von dort, um es in den trockenen Keller zu bringen, der lag immerhin noch zwei Höhenmeter entfernt. Am nächsten Tag holte ich, wieder mit dem Schlauchboot, einem Relikt der NVA, alles aus dem Keller raus, was ich noch zu fassen bekam. Das Schlauchboot war danach nur noch Schrott, wer fährt schon damit in Garagen und Kellern umher. Das Wasser stand letztendlich im Keller 20 cm unter der Decke, ebenso in der unteren Wohnung. Der Vermieter, ein Mensch aus Bochum, seufzte immer nur " Oh weh, was soll bloß noch werden, ich wünsche ihnen ja viel Glück, bestimmt sinkt die Elbe bald!", wenn ich meinen Lagebericht übers Handy absetzte. Strom und Telefon waren schon, seit die Schaltkästen auf der Straße unter Wasser waren, abgeschaltet. am 17. in der Nacht erreichte die Elbe den Scheitelpunkt, noch heute sichtbar markiert durch eine Tafel außen am Haus. Neulich war ein älteres Ehepaar aus den alten Bundesländern beim Spazieren gehen, ich hatte im Hof zu tun, als ich folgenden Dialog hörte: "Schau mal, da auf der Mauer stand das Wasser!" Darauf Er: "Nein, schau, da oben ist eine Tafel: "Elbehochwasser 17.08. 2002". Wieder Sie, diesmal mit hörbarem Entsetzen in der Stimme: "Nein, um Gottes Willen, das dürfen die nicht!". Die Tafel ist von der Maueroberkante noch mal 2,50 Meter entfernt. Höhenmeter...
Im LT- Forum hatte ich (wir waren bei guten Freunden untergekommen, weil uns der Zutritt zu den Häusern von BGS, Polizei oder Feuerwehr untersagt wurde und wir allabendlich evakuiert wurden), wenn ich Zeit fand, einen kurzen Bericht zur Flut abgesetzt und darum gebeten, einen Notstromer aufzutreiben, damit wir wenigstens nach dem Fallen des Wassers den Dreck wegspülen konnten. Die Freiheit, wildfremde Leute über das www. einfach mal um Hilfe anzubetteln, nahm ich mir heraus, als wir einen Tag lang vergeblich über alle möglichen Bekannten und Verwandten versucht hatten, einen Notstromer aufzutreiben. Wir brauchten Pumpen, Kärcher, Strom, Essen und ein Bett. Mehr nicht. Bett hatten wir, Essen schleppten DRK- Leute aus Bayern mühsehlig über die Notwege, der Kärcher, sogar zwei Stück, kam von einem befreundeten Malermeister, aber Pumpen und Notstromer gabs in keinem Baumarkt mehr. BaPi, Reinhard HD, Stefan Steinbauer und viele andere kümmerten sich bei ebay um einen Notstromer, der irgendwo kurz vor Berlin abzuholen war, Gerald aus Dresden kümmerte sich um den Transport des 120 Kg schweren Aggregats, der Nachbar fuhr es mit seinem Boot auf der Straße bis ins Grundstück und bald waren wir Stromversorger. 4 KW! Kabel lagen zu allen Nachbarkühlschränken, Kärcher summten und Pumpen schlürften Dreckwasser. Mit den blanken Händen wurde der Schlamm aus den Beeten herausgeschaufelt, damit die Gewächse nicht gar zusehr leiden- später gingen sie trotzdem alle aufgrund des Öls, was sich abgesetzt hatte, ein. In der Wohnung unten kam immer wieder Dreck zum Vorschein, zwei Tage hatten wir zu tun, Schlamm und eingefallene Möbel herauszubekommen. Unsere Wohnung war wieder zugänglich, nur Nachts noch dunkel, denn der Notstromer machte einen ohrenbetäubenden Lärm, da der Krümmer gerissen war, da mußte er nachts schweigen. Viele Leute kamen, sobald die Straße wieder auftauchte, um zu helfen. BaPi und Stefan Steinbauer halfen die Garage zu entrümpeln und kärcherten um ihr Leben;-) Die gesamte Straße war voller Müllberge. Wir hatten Helfer aus Weißwasser und aus den umliegenden Dörfern, die einfach auf einmal da waren und verschwanden, wenn die Arbeit getan war. Einfach so. Es stank barbarisch aus den Wohnungen, der Schlamm war sicherlich nicht für Fango- Packungen geeignet, da in Neratovice in Tschechien ein Chemiewerk den Bach runter gegangen war. Man sah es an den vorbeitreibenden Kartons mit den "GIFT!"- Aufdrucken. Sämtliche Gullys waren verstopft und wurden erst Tage später von einem Fahrzeug aus, ich glaube, Regensburg gespült. Ich war zwei Wochen nicht auf Arbeit und in dieser Zeit hatte ich in unserem Grundstück und in denen der Nachbarn reichlich zu tun, bevor wir alle Abends dreckverkrustet in die Dusche stiegen.Und heute?
Auf der Straße radeln die Ausflügler vorbei, auf der Elbe tuten die Dampfer der weltgrößten Dampfschiffflotte, die gesunkene Fähre soll im nächsten Monat wieder ferig sein. Fast könnte man meinen, hier wäre nie ein Wässerchen vorbeigekommen. Allerdings noch sichtbar, und das in der ganzen Gegend, sind Häuser, bei denen der Putz bis zur Hochwasserlinie abgeschlagen ist, damit sie austrocknen können. Nachbars Gewölbe, welches unterspült und eingestürzt war, soll nun doch neu aufgebaut werden, Kosten zwischen 80 und 120.000 Euro. In unserem Haus ist die Wohnung mitten in der Sanierung, die Sandsteinmauer hinter der Garage ist fertig gesetzt, diesmal mit Betonhinterfüllung und Drainage, die Garage hat immer noch kein Dach, ich habe dafür zwei Stellplätze. Auf die Wassergarage werde ich in Zukunft verzichten, habe keine Lust, jedesmal alles rauszuräumen. Unser Haus hat gehalten, zwei Häuser weiter mußte eins mit Ischebeckankern vernadelt werden, ca. 50 12 Meter lange Löcher wurden dazu im Keller des Hauses in den Fels gebohrt. Die Veranda hatte sich so geneigt, sie mußte abgerissen werden. Viele Häuser mußten abgerissen werden, sei es, weil sie sich gesenkt hatten oder weil Öltanks, die gerissen waren, das gesamte Mauerwerk verseucht hatten. Manche standen erst seit einem Jahr.
Spenden kamen von überall her. Meine Mailbox war täglich voll von Hilfsangeboten, die ich koordinieren mußte, dabei war es bei uns nicht so schlimm, wie bei anderen Leuten, zum Beispiel bei meinen Eltern, bei denen das Wasser noch 20cm in der Stube stand. Natürlich war der Keller restlos voll. Heizung und ehemals wertvolles Inventar wurden entsorgt. Der Fußboden wurde rausgerissen, Trockner aufgebaut, gelüftet. Seit ein paar Wochen wohnen sie nun wieder fast normal in ihrem Haus. Den Winter über stöckelten sie über die Kellerdecke in der Wohnung umher, ohne einen vernünftigen Fußboden und ohne Möbel. Gemeinden, Bund und Länder richteten Fonds ein, aus denen den Betroffenen schnell und unkompliziert geholfen werden konnte, Baumärkte gaben (bis heute!) Hochwasserrabatte. Die Solidarität unter den Leuten erreichte einen neuen Scheitelpunkt, wie eben noch die Flut. Ein Teil davon ist bis heute geblieben, hat die Menschen näher aneinander gebracht. Mit sämtlichen Nachbarn verstehen wir uns seit der Flut prima, als ob wir schon Jahre dort wohnen. Dabei waren wir erst im Mai vorigen Jahres eingezogen.Jetzt kommts dicke:
Denen, die damals geholfen haben, die helfen wollten, aber denen ich, weil es hier einfach schon von Helfern wimmelte, absagen mußte, die sich an Notstromer und Pumpe beteiligt haben und sich um die Logistik gekümmert haben, möchte ich aus diesem Anlaß noch mal Dank sagen. Auch denen, die überhaupt in diesen Tagen geholfen haben, in Grimma, Dresden oder den anderen verwüsteten Orten. Denen, die Blut spenden waren, die materiell oder finanziell geholfen haben, oder die vielleicht mit dem THW oder der Feuerwehr aus den verschiedensten Bundesländern hier waren, um zu helfen.
"Ach, Du wieder mit Deinem LT- Forum" meint ein Kollege immer, wenn er mich am Rechner ertappt. Aber nicht nur, daß man hier geholfen bekommt, wenn der Kühler ausläuft, auch wenn die Bude unter Wasser steht, kann man sich auf das Forum verlassen.Das mußte mal einfach gesagt werden.
mfG Martin aus dem schönen Elbtal
Das war letztes Jahr
Und so wäre es fast normal...
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