LT- Ausbaubericht hier online!
[ WWW.LT-FORUM.DE - Der Treff für LT-Fahrer und Wohnmobilisten ] Geschrieben von martin aus tirol am 22. Mai 2001 21:56:05:
Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich mir, irgendwas stimmt mit dem gelben Lieferwagen in der Kolonne vor mir nicht. Er schaut zwar aus der Entfernung aus wie ein ganz normaler VW LT, nur halt mit grösseren Reifen, eigentlich mit deutlich grösseren. Nach einigen Kilometern Aufholjagd war ich dann direkt hinter dem Objekt meiner Begierde. Siehe da, einer der seltenen Allrad – LTs: Riesenkiste mit Hochraumdach und mittlerem Radstand, eigentlich genau das hochgeländegängige Reisefahrzeug mit viel Platz trotz kompakter Aussenmaße.
Bei der örtlichen Postgarage erfuhr ich aus dem Munde eines netten Beamten, dass das Fahrzeug eigentlich wegen des Bandscheibenvorfalls des Fahrers zum Verkauf stehe, aber eigentlich schon verkauft wäre, der Käufer habe allerdings das Geld noch nicht gebracht. Ich witterte die Chance und bot ihm an, binnen einer Stunde mit dem Geld bei ihm zu dein. Und, inschallah, 20.000 Märker durften den Besitzer wechseln.Bei der ersten Autobahnfahrt jedoch verflog das Glücksgefühl rapide, als ich feststellte, daß ich vom ruhigen Dahingleiten auf der Autobahn noch so weit entfernt war wie von einem fertig ausgestatteten individuellen Fernreisefahrzeug.
Bei knapp 90 km/h bedrängten Dich von hinten wild blinkende Brummifahrer und zwischen den Sitzen kreischt der gequälte Motor bei 3600 Touren fast im roten Drehzahlbreich.
Also runter von der Autobahn, Landstrasse, daheim noch schnell eine Jause geholt, dann Abzweigung zur Forststrasse, später auf den Holzbringungsweg, der normal von einem alten 403 Unimog befahren wird. Dementsprechend tief waren die Spurrinnen im weichbodigen Waldboden und wir pflügten mit den längs versetzten Differentialen den Mittelsteg um, wenn nicht gerade ein Räderpaar seitlich neben der Rinne über vermoderte Baumstümpfe und Äste krabbelte. Irgendwann war dann Schluss, ein schrägstehender Baum verhinderte die unbeschädigte Weiterfahrt. Hm, mit dem Unimog sind wir immer ganz leicht durchgekommen. Aber 12 m³ (!) Ladevolumen (!) müssen auch irgendwo untergebracht werden! Beim Umkehren stieg dann noch ein Rad unaufhaltsam himmelwärts, die Verschränkung lässt halt doch im unbeladenen Zustand zu wünschen über. Die 1400 kg Nutzlast hätten das Rad schon am Boden behalten. Aber mit den beiden Achsdiffsperren war das auch kein Problem! Faszinierend dann die steile Abfahrt hinter der Panoramascheibe, mit den Füssen eine Handbreit hinter der Stossstange, die immer wieder kräftig im Boden umrührt .....Den nächsten Schock bekam ich bei einem Anruf beim größten VW Händler der Region. Auch nach mehrmaligen Rücksprachen gab es dieses Fahrzeug nicht. Ich möchte doch bitte einmal persönlich vorbeischauen.
Nach meinem Autobahnlehrgang war nun die Marschrichtung klar: Die 7.50er Gummiringerln auf den 16ern Felgen sollten durch die in jeder Hinsicht passenden 9.00er ersetzt werden, komme, was wolle!
Denn diese um 16 % höheren Reifen würden mir ein entspanntes Dahingleiten auf der Autobahn bei moderater Drehzahl, deutlich größere Winkel zum Boden und nicht zuletzt 28cm unter dem Differentialgehäuse und 40 unter den Achsen bringen. Ich war also dafür und alle waren dagegen. Vor allem die Herren in Wolfsburg sträubten sich, für diese Dimension eine Freigabe zu liefern, obwohl angeblich an der Ostsee eine Reihe „Big Foots“ für die Küstenwacht unterwegs sein soll. Auf jeden Fall erhielt ich schlussendlich nach mehrwöchigen hartnäckigen Über- und Unterredungen vom Zweigstellenleiter des TÜV vorab seine Zustimmung zur Umrüstung - ausschlaggebend war vermutlich meine Zusicherung, das Fahrzeug nur in Wüsten abseits der Zivilisation zu fahren.Dann gings schnell, mit 10.000 Umdrehungen pro Minute rutschte der Winkelschleifer durch den Kotflügel und auf einmal war genug Platz für die 9er im Radkasten bei voller Verschränkung. Der Lenkeinschlag war auch schnell begrenzt, statt 13m sind`s jetzt halt 15m Wendekreis. Das schont die ohnehin empfindlichen Gleichlaufgelenke der Vorderachse und dank Servolenkung geht das Einparken des 5,2m langen und 2,06m breiten Fahrzeugs in enge Lücken bei nicht einmal drei Meter Radstand immer noch mit einem Finger.
Der Innenraum präsentierte sich als garagenfähiges Raumwunder, hätten dort doch kleinere Geländewagen Platz. Bei 3,6m Länge und über 1,8m Breite zwischen den Holmen bei voller Stehhöhe waren nur die Radkästen für die Zwillingsbereifung hinten im Wege. Die Flex war noch nicht ganzabgekühlt, da gab es schon wieder neues Futter. Ein Streifen mit 20cm auf jeder Seite herausgeschnitten ermöglichte es nun auch nicht geländegängigen Kleinwägen, ohne Hopser hinten einzuparken, vorausgesetzt man schafft den Einstieg auf die doch 1m über Grund liegende Ladefläche.
Die Besatzung des Führerhauses muss sich auch anstrengen, schliesslich liegen die Sitzflächen beider luftgefederderter Schwingsitze von Isringhausen im entlasteten Zustand in Höhenund 145 cm über Grund. Der Aufstieg erfordert einige Übung, die Wahl des richtigen Fusses entscheidet über Eleganz oder Misserfolg. Dann trohnt man jedoch majestätisch über den Dingen, die vor den Rädern herumstehen. Selbst hohe Geländewagen und Kleinbusse versperren den Augen des Lenkers in beachtlicher Höhe von 220cm nicht mehr die Aussicht, weit vorausschauendes Fahren ist möglich.Auch der Rundblick am Armaturenbrett überrascht nicht. Neben dem dominaten Fahrtenschreiber und dem übersichtlichen Tourenzähler bemerkt nur der aufmerksame Betrachter neben einer Reihe Rundinstrumente: einige Originalschalter zuviel.
Wofür braucht dieses Fahrzeug etwa eine Heckscheibenheizung oder eine zweite Nebelschlussleuchte? Eingeweihte wissen, dass nur eine spezielle Schalterkombination dem Diesel ungehindert Zugang zur Einspritzpumpe gewährt, da sonst ein versteckt angebrachtes Magnetventil und das Ventil der noch rein mechanischen Verteilereinspritzpumpe hoffentlich zuverlässig Diebstahlabsichten vereiteln. Außerdem sitzt zwischen Batterie und Anlasser unterm Bodenblech, aber von oben zugänglich ein Nato Knochen, an dem sich potentielle Übeltäter die Zähne aussbeissen werden. Ein wiederum anderer Schalter regelt die Treibstoffpumpe, die die je 125 l Diesel aus den beiden V2A Zusatztanks bei Bedarf in den 70 l fassenden Haupttank fördern. Mit diesen 320 l liegen die Tanksstopps auch bei ununterbrochenen Fahrt immer Tage auseinander, denn bei verhaltener Fahrweise und voller Zuladung nimmt der Motor nur 14 l auf 100km. Will man hin und wieder Pkw von der Landstrasse drängen, braucht er bei über drei Tonnen Leergewicht schon einen kräftigen Stärkungsschluck, da sind dann 20 l fällig. Und krabbelt er in Untersetzung durch schweres Gelände, kann der Verbrauch auch noch deutlich steigen.Zwischen den komfortablen, vielfältig verstellbaren Schwingsitzen von Isringhausen schlummert unter einer dicken schallschluckenden Haube der aufgeladene Sechszylinder. Über diesen gelangt man durch eine Klappe nach hinten in den Wohnraum – und fühlt sich gleich wie in einer Tiroler Bauerstub´n mit einer kunstvollen Vertäfelung aus hellem, luftigem Fichtenholz. Hinter diesen Nut- und Federbrettern verbirgt sich jedoch eine ausgeklügelte bis zu 9cm dicke Isolation aus verfliestem EPS, Steinwolle und Trozzylen (Isomatte). Für die Bodenplatte wurde 9mm Siebdruckplatten mit extrudiertem Polystyrol direkt auf den zuerst sandgestrahlten und dann rostgeschützten Wagenboden verklebt und verschraubt. Die Längsrillen im Bodenblech blieben offen, dadurch kann eingedrungenes Wasser unter der Isolierung wieder abfliessen. Bei einem unfreiwilligen Test bewährte sich diese Lösung schon, als sich ein Großteil des Motorkühlwassers wegen eines defekten Schlauchbinders in den Wohnbereich ergoss.
Hm, fragt sich nun der interessierte Leser, was hat den der Kühlwasserkreilauf im Wohnbereich zu tun? Über eben diesen wird über einen Wärmetauscher 120 l Wasser in einer halben Stunde Fahrzeit auf 90 Grad erhitzt und dient einerseits zur Verkürzung der Kaltlaufphase des Motors und auch, um dem Reisenden in nördlichen Gefilden kostbares Warmwasser zur Verfügung zu stellen. Der Aluminiumtank ist rundum mit 8cm isoliert, sodass selbst noch nach einer Woche Standzeit heisses Wasser vorrätig ist. Zusätzlich sind noch zwei Kaltwassertanks verbaut, sodass insgesamt 270 l Wasser fix verbunkert werden können, ohne Kanister im Laderaum, wohlgemerkt.
Der Laderaum im Heckbreich bietet mit seinen 2500 l genügend Platz, auch für sperrige Reisemitbringsel aus fernen Ländern. Darüber spannt sich als Ersatz eines Lattenrostes ein nicht elastisches PVC Netz mit Glasfasereinlagen, auf dem eine Matraze mit 205 cm x 170 cm auch an heissen Tagen genug Freiraum für Verliebte bietet. Den vorderen Teil der Matraze kann nach unten abgeklappt werden und bildet die Rückenlehne für die Sitztruhe aus Aluriffelblech auf einem stabilen Stahlrahmen, an dem auch die zusätzlichen Beckengurte für Mitreisende TÜV gerecht montiert wurden. Links im Küchenblock aus 7-fach wasserfest verleimten Sperholz findet noch eine 5kg Gasflasche Platz, um den 2 flammigen Kocher zu betreiben. Wärme abseits von Gasversorgungseinrichtungen garantiert eine Standheizung von Eberspächer mit bis zu 3500 Watt Heizleistung, die bei minimalen Stromverbrauch und besonders ruhigem Lauf thermostatgesteuert auch im tiefsten Winter und in Höhen über 3000 m den Innenraum auf 25 Grad erhitzen kann. Über Umlenkdüsen und ferngesteuerte Verteiler wird der Wärmestrom reguliert.Quer zur Fahrtrichtung anschliessend ist noch eine Sitzbank angeordnet, in der der Kompressorkühlschrank werkelt und die elektrische Anlage untergebracht ist. Ausreichend Strom erhält das Fahrzeug von einem aufstellbaren 75 Watt Solarpaneel auf dem Dach und der Lichtmaschine, die über ein Trennrelais die beiden Bordbatterien mit insgesamt 120 Ah versorgen. Auch die Red Top Starterbatterie ist eine rüttelsichere und lageunabhängige Gelbatterie von Optima, die trotz ihrer geringen Kapazität von nur 56 Ah auch im tiefsten Winter bei Temperaturen um – 25 Grad mit bis zu 850 Ampere Startstrom den schweren Sechszylinder einwandfrei zum Laufen brachten.
Ausblick rundum geniesst man seitwärts in einer Höhe von gut 2,5 m durch Schiffsbauluken mit Friktionsscharnieren, die ein Austellen der 10mm Plexiglasscheiben stufenlos bis 180 Grad ermöglichen. Durch die beiden grossen Dachluken gelangt man auf den 3,5 m langen vollfächigen Dachträger aus Aluriffelblech, der gummigelagert mit 3 cm Abstand mit den Spriegeln verschraubt ist und so nach der alten Landrovermethode besten Sonnenschutz bietet.
Sonnen- und Regenschutz bietet auch die grosse Markise, die bei Bedarf über der seitlichen Schiebetür angeknippst werden kann und so den Eingangsbereich mit seiner 4 stufigen Klappleiter bei bei längeren Standzeiten trocken halten kann.Die einzigen Artikel, die aus dem Campingbereich durch fachkundige Beratung bei Schrempf und Co bei Rosenheim zugekauft wurden, sind die Wasserversorgungsanlage und die Mücken- und Verdunkelungrollos bei den Luken. Und auch die wurden auf die neuen Masse zurechtgeschnitten und pistenfest verklebt. Fast alle anderen Teile entstanden im Eigenbau mit einem Zeitaufwand in zwei Jahren von über 1000 Stunden und einem Materialeinsatz inclusive Basisfahrzeug von etwa 45 000 Märker.
Für die nächsten Wochen sind wir in Island unterwegs, um das Fahrzeug im extremen Geländeeinsatz zu testen. Da wird sich dann herausstellen, ob alles so funktionierte, wie es geplant wurde oder ob in besonders tiefen Furten das Wasser über den abnehmbaren Zyklonfilter in 150 cm Höhe den Motor zum Spucken bringt.